FDK-Präsident: Kommentar zum Umgang mit der Zeit
Das aristotelische Bild der Muße im Kopf, eilen wir durch den Alltag, oder der Alltag mit uns?
Für Momente, die uns die zumindest kurzfristige Aufhebung von Zeitkonflikten versprechen, sei es ein „Innehalten“, eine „Auszeit“ oder einen Kurs zur „Entschleunigung“, gibt es inzwischen eine ganze Industrie, Bücher, Apps und eben Kurse. Abseits alltäglicher Routinen sollen sie bei der „Normalalltagsbewältigung“ helfen.
Die Erfahrungen zur Muße setzen alternative zeitliche Ordnungen in alternativen Räumen wie einem Kloster oder dem Wald dem Alltag gegenüber. Durch die Inwertsetzung bedürfnisorientiert gestalteter Zeit, die Rhythmisierung und Ritualisierung sowie die Vermittlung zwischen selbst- und fremdbestimmter Zeit wird die Muße erlebbar. Als Kultur- und Selbsttechnik stellt sie ein Instrument der Selbstfürsorge bei alltäglichen Anforderungen dar, und setzt der Beschleunigung die eigenzeitliche Erfahrung entgegen. Das Ziel freie Zeit wird über die Gegenüberstellung zu Arbeit, Stress, Hektik und Sorgetragen definiert, gewinnt so an Wert, der so legitimiert auch kommerzialisiert werden kann.
Strittig ist, ob sich durch ein Erkaufen von zeitlichen Freiräumen und Eigenzeiten wirklich an den Zeitbildern in den Köpfen etwas ändert. Unstrittig ist, dass es für diese Freiräume freie Zeiten braucht. Auch unstrittig ist, dass es gerade für Familien einen Wandel in der Zeitpolitik braucht. Zu wenige Modelle zur Zeitverwendung hinsichtlich von Arbeitszeitflexibilität im Lebensverlauf werden politisch laut diskutiert, um gendergerecht Erwerbs- und Sorgearbeit besser leben zu können, um Zeitkonflikte in der Sorgearbeit und in der Erwerbsbiographie zu mindern.
Familienleben soll wieder die Muse küssen, denn aus dieser entspringt bekanntlich Kreativität. Und mit dieser können wir zwar nicht die Zeit vermehren, aber vielleicht individuell flexibel, angepasst an den Lebenslauf, auch Momente der Muße leben.