„Familienpolitik ist eine Querschnittsaufgabe“ – Der Diözesanfamilienrat im Gespräch mit Andreas Schwarz und Martina Stamm-Fibich

Datum:
Mo. 8. Nov. 2021
Von:
Susanne Neubauer

Im Oktober trafen sich der Diözesanfamilienrat mit den SPD-Politikern Andreas Schwarz und Martina Stamm-Fibich in Bamberg. Neben den Koalitionsverhandlungen kamen u. a. das moderne Familienbild, die echte Wahlfreiheit, die Pflege und das Thema Wohnen zur Sprache.

Diözesanvorsitzende Christiane Kömm, Petra Schuckert, Josef Weber, Johannes Wicht, Martina Stamm-Fibich, Edgar Maul, Andreas Schwarz (c) FDK
Diözesanvorsitzende Christiane Kömm, Petra Schuckert, Josef Weber, Johannes Wicht, Martina Stamm-Fibich, Edgar Maul, Andreas Schwarz

Da Familienpolitik immer eine Querschnittsaufgabe in allen politischen Feldern ist, spricht sich der Familienbund der Katholiken im Erzbistum Bamberg seit vielen Jahren für eine Familienverträglichkeits-prüfung bei politischen Entscheidungen aus. Als Beispiel nannte Diözesanvorsitzende Christiane Kömm die Aktion des Bundesverbandes zur Mehrwertsteuer, die vor einigen Jahren initiiert wurde. Dabei ging es darum, auf den höchsten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf viele kindbezogene Produkte hinzuweisen. „Dabei geht es um eine finanzielle Entlastung für Eltern bei den Verbrauchssteuern, da Familien von Natur aus viel mehr konsumieren müssen.“, so die Diözesanvorsitzende. Ebenso verhalte es sich mit den Sozialversicherungssystemen, bei denen Familien immer noch benachteiligt sind. Die Bundestagsabgeordnete Stamm-Fibich merkte hierzu an, dass es viele richtige Herangehensweisen gebe, die Familien entlasten würden. Pauschal über die Sozialversicherungsbeiträge sei dies jedoch nicht zu lösen. Bundestagsabgeordneter Schwarz ergänzte hierzu, dass es bei der Kindergrundsicherung eine Besserstellung von Familien mit Kindern gebe.

 

Daran anschließend wurde über das Familienbild diskutiert. Diözesanvorsitzende Kömm kritisierte dabei das defizitäre Familienbild, das häufig in den Medien und der Politik vorherrsche und erklärte, dass die Eltern laut Verfassung nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht auf die Erziehung ihrer Kinder hätten. Andreas Schwarz merkte hierzu an, dass es sich nicht ausschließlich um ein defizitäres Familienbild handle, sondern dass der Staat eine Fürsorgepflicht habe, die er auch wahrnehme, da es immer mehr Familien gäbe, die der Erziehung von Kindern nicht mehr gewachsen sind. Frau Stamm-Fibich verwies in diesem Kontext darauf, dass immer mehr Pflegefamilien benötigt werden und dass häufig eine Einstellung bei Familien vorliege, dass der Staat bei der Erziehung „zu liefern“ hätte. „Der Staat hat dies mit seiner Familienpolitik auch jahrelang so impliziert“, erklärte Diözesanvorsitzende Kömm, „weshalb es diesbezüglich einen Systemwechsel braucht.“

 

Die Pflege ist ein Thema, das dem Diözesanfamilienrat besonders am Herzen liegt. Frau Stamm-Fibich betonte, dass 30 Prozent der Auszubildenden ihre Ausbildung abbrechen und Fachkräfte im Durchschnitt nur acht Jahre im Pflegeberuf arbeiten würden. Daher gehe es nicht nur um eine höhere Bezahlung der Pflegeberufe, sondern auch um eine gesellschaftliche Anerkennung und bessere Arbeitsbedingungen. Edgar Maul vom Diözesanfamilienrat betonte, dass es bei den Arbeitsbedingungen vor allem um die ständige Verfügbarkeit und die vielen Überstunden gehe, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur schwer möglich mache. Frau Stamm-Fibich pflichtete dem bei und betonte, dass Pflegerinnen und Pfleger diesen Beruf gewählt hätten, um sich um Menschen zu kümmern; ihnen aber häufig die Zeit fehle, sich neben der Pflege und Dokumentation intensiver mit den Patienten zu beschäftigen. Dies führe zu Frustration auf beiden Seiten. SPD-Politiker Schwarz kritisierte auch die mediale Darstellung des Pflegeberufs. „Wenn man immer nur hört, wie schlecht es in diesem Beruf sei, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass ihn keiner mehr machen will“, so Schwarz. Der Familienbund kritisierte zudem die weitere Akademisierung der sozialen Berufe aus den genannten Gründen. Dem widersprach Stamm-Fibich vehement und betonte, dass die Akademisierung von einigen Verbänden gewünscht worden sei und dass man sich davon eine bessere Akzeptanz verspreche.

 

Als letztes Thema brachte Petra Schuckert die Frage des geeigneten und vor allem bezahlbaren Wohnraums ins Gespräch. Sie betonte, dass vor allem die Corona-Krise offengelegt hätte, dass es so nicht weitergehen könne. Besonders auf den sozialen Wohnungsbau und auf die Tatsache, dass Besitz auch eine gewisse Altersvorsorge für viele Menschen darstelle, müsse mehr geachtet werden. Dem stimmten Stamm-Fibich und Schwarz zu. Letzterer betonte, dass es ein verbessertes Angebot geben müsse. So müsse man beim Wohnungsbau über eine Nachverdichtung nachdenken. Eine weitere Versiegelung von Flächen ist nicht wünschenswert.

 

Der Diözesanfamilienrat und die beiden Abgeordneten waren sich darüber einig, dass Familien vor allem finanziell stärker entlastet werden müssen, was auch mehr Zeit für Familie schaffen würde. Der Familienbund der Katholiken betonte dabei, dass vor allem eine Reform der Sozialversicherungsbeiträge erfolgen müsse und das Ehegattensplitting beibehalten werden sollte. Die beiden SPD-Politiker sehen den Schwerpunkt eher auf der Kindergrundsicherung und steuerlichen Anreizen. Einigkeit über nötige Veränderungen herrschte dagegen beim Thema Pflege und Wohnen. Hier sieht sich die Politik größeren Herausforderungen gegenüberstehen.