Dr. Andreas Püttmann zu Populismus vor der Bundestagswahl

Populismus Vortrag Püttmann (c) C. Dillig
Populismus Vortrag Püttmann
Datum:
Mo. 24. Juli 2017
Von:
C. Dillig

Den „Tunnelblick“ mancher Christen auf die rechtspopulistische Partei AfD hat der Politikwissenschaftler und freie Publizist Dr. Andreas Püttmann kritisiert. Wer nur einzelne Aussagen, etwa zur Abtreibung oder zur Homo-Ehe sehe, übersehe die Gefährlichkeit dieser Partei. Das Vorstandsmitglied der „Gesellschaft Katholischer Publizisten“ entnimmt den Partei-Programmen vielmehr, dass unser demokratisches System verleumdet und infrage gestellt wird, dass die Gefahr eines Abgleitens in die Diktatur besteht. Für Christen sei „die heidnischste aller Parteien“ nicht unterstützenswert. 

„Seltsame“ Parteien haben sich nach Meinung der Vorsitzenden des Familienbundes, Christiane Kömm, des Familienthemas angenommen und gingen damit auf Wählerfang. Umso mehr sei es notwendig, hinter die Formulierungen zu sehen. Der Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese hatte dazu Dr. Püttmann zu einem Vortrag nach Bamberg eingeladen: „Familie zwischen Anerkennung und Instrumentalisierung“ sowie die Herausforderungen durch den Rechtspopulismus waren sein Thema.

Der Schutz von Ehe und Familie gelte als „Türöffner“ für die Rechten im konservativ-kirchlichen Milieu, sagte Püttmann. Er stellte die Frage, ob Rechtspopulisten tatsächlich für christliche Werte – auch Ehe und Familie – eintreten. Katholische Bischöfe und Laiengremien hatten dies bereits negativ beantwortet.

Mit dem Aufkommen der nationalistisch-autoritären Rechten erlebe Europa nach 70 Jahren eine „Zeitenwende“, stellte der Referent fest. Er kritisierte den Populismus dieser Parteien, ihre von Opportunismus geprägte, betont volksnahe, oft demagogische Politik, die die politische Lage dramatisiere und mit einfachen Antworten auf komplexe Probleme die Zustimmung der Bevölkerung finde. Da werde von einem „genuinen Volkswillen“ gesprochen, würden Eliten, Parteien und Medien kritisiert, werde die kulturelle Identität national verstanden, müsse das „Eigene“ gegen alles Fremde verteidigt werden. Ängste würden geschürt.

Die Mehrheitsreligion werde nach Aussage des Referenten als Ordnungsfaktor verzweckt und als Identitätsmarker genutzt, wobei gleichzeitig religiöse Autoritäten, die sich dem widersetzen, beschimpft würden.  Die Neue Rechte sehe nicht den gleichberechtigten und freien Menschen als für die Demokratie konstitutiv an, sondern die „geeinte Volksgemeinschaft“.

Hinsichtlich der Situation in Deutschland verwies Püttmann auf die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem vergangenen Jahr. Danach zeigten bekennende AfD-Wähler etwa dreimal so häufig wie die Gesamtbevölkerung Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus, Diktaturneigung und Antisemitismus. Diese „Partei von anderer Natur“ sei zu einer „radikalen Polit-Sekte“ am rechten Rand der Gesellschaft geworden, sagte der Politologe.

Christen sollten aufhorchen, so Püttmann weiter, wenn die AfD von einem „differenzierten“ statt vom christlichen Menschenbild spreche. Im Wahlprogramm der rechtspopulistischen Partei würden die Kirchen nicht als eigenständige gesellschaftliche Kräfte gesehen, sondern würden nur in einen anti-islamischen Kontext oder als Baustein einer „deutschen Leitkultur“ gebraucht.

Den Christen, für die diese Partei interessant ist, weil sie die traditionelle Geschlechterordnung und eine entsprechende Familienpolitik vertritt, hielt der Referent entgegen, dass ihre Angaben zur Situation von Familien nicht der Realität entsprächen. Weder seien die behaupteten Gründe für ein Zurückgehen der Geburtenrate, noch sei der Verlust der Wertschätzung der traditionellen Familie empirisch belegbar. Die Familie werde bei der AfD national-demografisch verzweckt. Das Frauenbild sei manchen Aussagen zufolge ausschließlich auf das Familienmodell der Hausfrau und Mutter fixiert. Kinder von Alleinerziehenden würden unsensibel als „Betroffene“ von Nachteilen dargestellt. Püttmann wies auch auf eine neue Untersuchung der Münsteraner Professorin für Christliche Sozialwissenschaften, Dr. Marianne Heimbach-Steins, zu familienpolitischen Grundpositionen der AfD hin. Sie unterstreiche, dass diese nicht mit katholischen Positionen vereinbar seien.

Nicht zuletzt sollte die Hervorhebung der „Kultur des Eigenen“ gegenüber allem Fremden „einen Christen frösteln lassen“, konstatierte der Publizist. Und: Christen dürften nicht schweigen, wenn, statt der gottgegebenen Würde des Menschen das Pathos der Volksgemeinschaft im Zentrum der Politik stehen soll. Hier hätten Papst Franziskus und auch die deutschen Bischöfe mit ihren Aussagen andere „Meilensteine“ gesetzt. Püttmann vermisst allerdings noch Äußerungen seitens der orthodoxen und der katholischen Kirchen Osteuropas zur Verteidigung der liberalen Demokratie gegen das autoritäre Streben der Rechtspopulisten. Die Neue Rechte könnte so zur Unterscheidung der Geister in den Kirchen beitragen, sagte er abschließend.