Auch für Väter "geht alles gar nicht"

Zeit-Journalist Marc Brost stellte bei Familienbundtagung Vereinbarkeit von Familie und Beruf infrage

Auch für Väter
Auch für Väter "geht alles gar nicht"
Datum:
Mi. 30. Nov. 2016
Von:
C. Dillig

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist heute dank besserer Betreuungsmöglichkeiten für Kinder – scheinbar – möglich. Doch viele Familien und vor allem auch Alleinerziehende spüren jeden Tag, dass sie bei weitem noch nicht die Entlastung haben, die ihnen von Seiten der politischen Institutionen suggeriert wird. Der Familienbund der Katholiken im Erzbistum Bamberg hatte zu seiner Jahrestagung den Journalisten Marc Brost eingeladen. 

Zusammen mit seinem Journalisten-Kollegen Heinrich Wefing hatte der Leiter des Hauptstadtbüros der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Buch über die Situation heutiger Väter geschrieben. „Geht alles gar nicht“ war das Thema der Veranstaltung wie auch der Titel des Buches. Denn auch Väter können –Mütter sagen dies schon lange– unter den heutigen Bedingungen des Arbeitsmarktes Kinder, Liebe und Karriere nicht auf einen Nenner bringen, sagen die Autoren.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur ein Frauen-, sondern ein Familienthema, machte die Diözesanvorsitzende des Familienbundes, Christiane Kömm, deutlich. Beziehungen sollen gelingen. Dies sei der Wunsch der Paare mit Kindern und es sollte auch die Zeit dafür da sein. Doch der Anspruch, gute und verständnisvolle Eltern zu sein, beruflich engagiert und dazu liebende Partner, die alle Aufgaben teilen, ist hoch. Und er sei unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht zu realisieren, sagte Brost. Er und sein Co-Autor sprechen von der „Vereinbarkeitslüge“. Sie werfen den „Vereinbarkeitslügnern“ vor, dass dies nicht an der Unfähigkeit der Mütter und Väter liegt, sondern dass die Rahmenbedingungen für Familien bei weitem noch nicht gut sind: „Die Politik tut nicht alles, was sie kann.“ Und sie sagen, dass es Sache der gesamten Gesellschaft, „von uns allen“ und nicht nur der Eltern sei, den Fokus stärker auf die Familien zu richten.
Es gebe das Gefühl, nie genug Zeit zu haben, fürs Kind, für den Partner, den Job und es gebe das permanente schlechte Gewissen. Warum funktioniert es nicht? Der Journalist sieht die heutige Arbeitswelt als einen Grund und sprach von einer „Gesellschaft auf Speed“. Digitalisierung und Globalisierung hätten Folgen, die auch Zeitforscher festgestellt hätten: Menschen essen schneller, schlafen weniger und gehen schneller. Sie arbeiteten mehr als vorherige Generationen und sie liebten weniger als diese. Auch die Gleichberechtigung fordere ihren –zeitlichen – Preis.
Einem weiteren schwerwiegenden Problem widmen die Autoren in ihrem Buch ebenfalls Platz, dem Schweigen zwischen den Partnern. Stressbedingt fehlten Kraft und Zeit sich auf den anderen einzulassen: „Aus Liebespaaren werden Partner in der Logistik für die Familie“. Die Folge: Streit und Entfremdung. „Wir müssen darüber reden, was man als Paar will. Dann zieht nicht das Schweigen ein“, gab Brost den Tagungsteilnehmern als Rat. Forderungen gehen natürlich auch an Politik und Wirtschaft, an den Rahmenbedingungen für Familien weiter zu arbeiten, etwa Kindertagesstätten auszubauen, die Betreuungsqualität zu verbessern und Alleinerziehenden mehr Unterstützung zu gewähren. Mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, ohne dass dies Einfluss auf die Karriere hat, mehr Geld für Springer in den Betrieben sind Forderungen an die Wirtschaft. Auch müsse über Karrieremodelle heute neu nachgedacht und es müsse über die Lebensarbeitszeit gesprochen werden. Warum sollten Eltern nicht in der „Rushhour des Lebens“ zwischen Mitte 20 und Ende 40, wenn Kinder erzogen oder Eltern versorgt werden oder ein Haus gebaut wird, weniger arbeiten, um später wieder verstärkt in den Beruf einzusteigen?
Auf die Frage von Veranstaltungsteilnehmern nahm der Zeit-Journalist die eigene Zunft nicht aus der Verantwortung. Viel zu selten spielten familienpolitische Themen in den Medien eine Rolle, und wenn, dann nur in kleine Themen parzelliert. Mit dem Buch, so hofft Brost, könne man vielleicht auch etwas Pionierarbeit leisten.