Andreas Dederich über eine Erziehung zur Selbstständigkeit

Kinder sollten nicht zu viel dürfen

Petra Schuckert im Gespräch mit Andreas Dederich (c) Christiane Dillig
Petra Schuckert im Gespräch mit Andreas Dederich
Datum:
Mo. 15. Apr. 2024
Von:
C. Dillig

Kindererziehung ist kein Zuckerschlecken. Es bedarf einer großen Anstrengung. Manchmal werden Kinder wie kleine Erwachsene behandelt. Dahinter steht vielleicht der Wunsch nach Harmonie oder das Ausweichen vor möglichen Konflikten. Dies bringt den Nachwuchs jedoch um die Möglichkeit, entscheidende Fähigkeiten, die sie später als Erwachsene brauchen, zu entwickeln. Welche Rahmen benötigt der Nachwuchs für ein gesundes Aufwachsen? Seine Erfahrungen als Vater, Familienberater und Dozent von Fort- und Weiterbildungen gab Andreas Dederich bei einem Seminar der Katholischen Elternschaft (KED) weiter. Kindern liebevoll zugewandt zu sein sei wichtig. Aber Eltern müssten auch Regeln aufstellen, darauf achten, dass sie eingehalten werden und konsequent handeln. „Kinder, die zu viel dürfen, werden Erwachsene, die zu wenig können“, lautete das Thema der Veranstaltung im Bistumshaus.

Andreas Dederich beim Beantworten von Elternfragen (c) Christiane Dillig
Andreas Dederich beim Beantworten von Elternfragen

Die Frage, die sich Eltern stellen, sollte sein: „Wie kann ich mein Kind gut auf den Tag vorbereiten, an dem sie das Elternhaus verlassen?“ Der Nachwuchs brauche Grundvoraussetzungen, um „ohne unsere Hilfe“ auf eigenen Füßen stehen zu können. Und er müsse auf eine Gesellschaft vorbereitet werden, die nicht an den Bedürfnissen von Kindern orientiert ist, die den Menschen fordert, in der er – und nicht mehr die Eltern – Entscheidungen treffen muss. Kinder bräuchten das Gefühl, angenommen zu sein, sie bräuchten aber auch Regeln, Disziplin, Autoritäten, Grenzen sowie Anweisungen, auf deren Einhaltung man bestehen müsse. So erhielten sie Orientierung. Man lerne, was richtig und falsch ist. Man lerne auch, Hierarchien zu akzeptieren. Ist es sinnvoll, Kinder in endlosen Gesprächen von der Notwendigkeit eines Verhaltens zu überzeugen, statt einfach einmal „Nein“ zu sagen? Dederich rät zum Ausprobieren, hält dieses Verhalten aber oft nicht für zielführend. Denn die Kleinen müssten lernen, mit Frustration und Nichterfüllen ihrer Wünsche umzugehen. In Kindergarten, Schule und später im Berufsleben spielten auch empathisches Verhalten und Teamfähigkeit eine Rolle.

Humorvoll und mit zahlreichen Beispielen hielt der Referent den anwesenden Eltern von Klein- und Grundschulkindern den Spiegel vor. Geben wir den Wünschen der Kinder zu schnell nach? Haben wir Angst „Nein“ zu sagen? Erwarten wir andererseits, dass unser Kind „funktioniert“? Welchen Umgangston pflegen wir zuhause? Er werde sich im Verhalten der Kinder abbilden, denn diese seien „Modelllerner“.

Eltern sollten Stärken und Schwächen ihres Kindes kennen, wünschte sich der Referent. Sie sollten demzufolge Ziele erarbeiten, um zu fördern bzw. zu helfen. „Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, selbstständig zu werden.“ Das Kind werde stolz darauf sein, wenn etwas gelingt. Ein Lob für Erreichtes könne „Motivationsspritze“ für die nächste Leistungssteigerung sein. Doch sollten Erwachsene nicht ständig mit anderen Gleichaltrigen vergleichen, auch nicht mit den Geschwistern.

Der Referent warnte vor einer Reizüberflutung der Kinder. Es brauche keinesfalls eine große Menge an Spielzeug im Kinderzimmer, damit Kinder glücklich sind. „Räumen Sie weg, womit gerade nicht gespielt wird.“ Denn: „Genügsamkeit ist eine Stärke von Kindern“. Den Eltern riet Dederich, in der Hetze des Alltags die Beziehung zueinander nicht aus den Augen zu verlieren. Die Hilfe von Großeltern solle unbedingt angenommen werden. Die Richtlinienkompetenz für die Erziehung liege jedoch immer bei den Eltern – wobei diese bei ihren Entscheidungen mit einer Stimme sprechen und nicht gegensätzliche Vorstellungen zu verwirklichen versuchen sollten. Bei Schwierigkeiten in der Schule riet Dederich dazu, immer mit den Pädagogen in Kontakt zu treten und gemeinsam auf eine Lösung zu sinnen.

In der Erziehung gebe es keinen Königsweg. Man dürfe immer wieder auch auf sein Bauchgefühl vertrauen. Die Hauptsache sei, dass man sein Kind nach bestem Wissen und Gewissen auf die Selbstständigkeit vorbereitet. Dabei gelte: „Sie legen die Basis und tragen die Verantwortung, damit Ihr Kind irgendwann einmal ins Leben geschickt werden kann.“

Eingangs hatte die KED-Vorsitzende Petra Schuckert den Referenten im Bistumshaus St. Otto begrüßt. Für die Kinder der rund 100 teilnehmenden Eltern gab es eine eigene Kinderbetreuung.

Andreas Dederich war als Egotherapeut mit der Spezialisierung auf Kinder in eigener Praxis in Bad Windsheim und Würzburg tätig. Heute arbeitet er in der Familien- und Elternberatung. Als Dozent an der Berufsakademie in Darmstadt bildet er junge Therapeuten aus.

C. Dillig