Wie Eltern ihren Kindern in Zeiten der Verunsicherung und Veränderung helfen können, war Thema der diesjährigen familienpolitischen Jahrestagung im Bistumshaus St. Otto in Bamberg. Christiane Kömm freute sich, die erste Präsenzveranstaltung des Familienbundes der Katholiken seit der Pandemie mit Referent Peter Karl zu eröffnen.
Der Sozialpädagoge und Heilpraktiker für Psychotherapie Peter Karl aus Gersthofen ist seit Jahren in der ambulanten Familienberatung sowie in seiner eigenen Praxis tätig. Mit seinem ursprünglichen Schwerpunktthema „Erziehung von Jungen“ begeisterte er bei früheren Veranstaltungen des Familienbundes eine große Anzahl von Teilnehmern. Inzwischen hat er sich mit Beratung und Therapie von traumatisierten Erwachsenen und Jugendlichen auf den Umgang mit Krisen spezialisiert.
„Unser Leben ist immer Veränderung“, leitete Karl ein. Er ging auf das große Ausmaß an Veränderungen ein, die jeder einzelne in den letzten drei Jahren verspürt habe. „Diese Krise hat ein unglaubliches Ausmaß“, sagte er. In dieser unfassbar verwirrenden und massiv traumatisierenden Zeit sei die Lebenserfahrung von älteren Menschen gefragt, die der jüngeren Generation Hoffnung, Vertrauen und Durchhaltevermögen vermitteln könnten. „Alles, was dem Leben dient, muss den jungen Eltern vorgelebt und in Erinnerung gerufen werden!“ Als Beispiel nannte er das weit verbreitete Verhalten, sich mit dem Smartphone zu beschäftigen und gleichzeitig ohne Blickkontakt mit dem eigenen Kind zu kommunizieren. Manche Kindergärten wiesen schon ausdrücklich darauf hin, dass dies zu Entwicklungsstörungen der Kleinsten führe.
Eindringlich vermittelte Karl die hohe Bedeutung der eigenen Stabilität, denn wenn es Eltern gut gehe, gehe es Kindern automatisch gut. Die Bedeutung des elterlichen Vorbilds werde oft unterschätzt. Wer aber gut für sich sorge und Lebensfreude ausstrahle, sei ein Leuchtturm in schwierigen Zeiten für Kinder. „Unsere Kinder brauchen glückliche Eltern!“ betonte der erfahrene Elterncoach mit einem Schmunzeln. Und so standen bei Karls lebendigen Vortrag anders als erwartet nicht die Bedürfnisse der Kinder, sondern die Eltern im Mittelpunkt.
Die Selbstfürsorge sei das wichtigste Thema für die Erziehung, ebenso auch in der Traumatherapie, hob Karl hervor. Wer sich als selbstwirksam erfahre, komme heraus aus dem lähmenden Opfer- und Ohnmachtsgefühl. Viele Erwachsene seien in einer Angst- und Schockstarre, denn die akute Krise rühre tiefere Baustellen an. In dieser Zeit der Verwandlung würden tiefe Existenzängste hochgespült. „Aber das Leben ist ein Fest und ein Geschenk!“, so Karl. „Als Gesellschaft stehen wir nun vor der Herausforderung, dass wir wieder bewusst leben lernen müssen. Vom Überleben wieder Leben lernen, darum geht es heute.“
Und so sammelten die Teilnehmer gemeinsam Ideen, wo sie körperlich und seelisch auftanken. Ganz Unterschiedliches kam zum Vorschein: vom Singen über Naturerfahrungen am Wasser oder im Garten, bis hin zu Tanzen, Pilgern und sozialem Miteinander spannte sich der Bogen. „Suchen Sie sich lieber fünf Dinge, die Sie auch in Stresszeiten durchhalten und praktizieren als zwanzig. Das gilt auch für Ihre Kinder, aber Sie als Erwachsene müssen es zuerst vorleben“, riet Karl. „Fragen Sie sich: wie gestalte ich meinen Tag, damit es mir gut geht? Und: wofür bin ich an diesem Tag dankbar?“
Karl ermutigte die Eltern, bei der Kindererziehung auf ihre Intuition zu hören. Durch zu viel mentales Wissen in unserem Ausbildungssystem gehe oft das Gefühl für ein natürliches Elternsein verloren. Mentales Wissen aber sei manipulierbar, es fehle an „Herzkompetenz“. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen in der Pandemie sagte Karl: „Wir brauchen eine tägliche Übung der Sammlung. Wer in dieser Krise keine spirituelle Verankerung hat, hat wirklich zu beißen.“
Am Ende der Veranstaltung äußerten Teilnehmer, sie nähmen sich viel für den Alltag mit. Auch der Austausch untereinander in der Pause bei Kaffee und Kuchen habe gut getan