Trotz kleiner Verbesserungen halbherzig, zuweilen kleinlich und mehr arbeitsmarkt als familienorientiert – der Familienbund der Katholiken kritisiert die Elterngeldreform der Bundesregierung und vermisst den nötigen großen Wurf. Dennoch verbessere der Gesetzentwurf nach Ansicht des Verbandes an einigen Stellen die bisherigen Elterngeldregelungen ein wenig. So begrüßt der Familienbund grundsätzlich die Flexibilisierung des Partnerschaftsbonus und die Anerkennung von Elterngeldmonaten bei Eltern frühgeborener Kinder. Dass viele Familien von der Mini-Reform profitieren werden, glaubt der Familienbund allerdings nicht.
Berlin, 14. Dezember 2020 – „Die Flexibilisierung des Partnerschaftsbonus nach dem Gesetzentwurf ist zwar erfreulich, orientiert sich aber zu wenig an der Lebenswirklichkeit derFamilien. Die nach wie vor starre Neuregelung dürfte sich mit dem Leben von Familien nur schwer in Einklang bringen lassen, um davon profitieren zu können“, so Hoffmann weiter.
„Ein wesentliches Problem des Partnerschaftsbonus besteht darin, dass viele Eltern nicht in
der Lage sind, die engen bisherigen Voraussetzungen zu erfüllen, wegen fehlenden Entgegenkommens der Arbeitgeber, aus ökonomischen oder familienorganisatorischen Gründen. Zwar dürfte durch die Flexibilisierungen der Partnerschaftsbonus für mache Familien attraktiver werden. Ich erwarte aber auch, dass es nicht deutlich mehr Familien sein werden, da es weiterhin vielen Familien nicht gelingen wird, ihre Arbeitsverhältnisse so aufeinander abzustimmen, dass sie die nach wie vor zu engen Voraussetzungen erfüllen können. Weil der geplanten Elterngeldreform der Ehrgeiz fehlt, bleibt sie für die meisten Eltern wohl folgenlos.“
Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass der zeitliche Korridor, in dem beide Eltern arbeiten müssen, nach oben und nach unten geringfügig erweitert wird. Eltern müssen nicht mehr zwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sein. Stattdessen reicht es künftig aus, dass der Erwerbsumfang bei beiden Eltern zwischen 24 und 32 Wochenstunden liegt. Zudem müssen die Eltern ihre Arbeitszeit nicht mehr zwingend in vier aufeinander folgenden Monaten koordinieren. Stattdesssen können sie den Bonus auch nur für zwei oder drei aufeinander folgende Monate beantrage.
„Dass der Korridor im Gesetzentwurf nach oben stärker erweitert wird als nach unten, ist die falsche Richtung und das falsche Signal.“
Den Partnerschaftsbonus in seiner im Gesetzentwurf vorgesehenen Gestalt hält der Familienbund für korrekturbedürftig: „Um wirklich mehr Familien zu erreichen, sollte der Korridor so erweitert werden, dass er zumindest auch eine halbe Stelle mit 20 Wochenstunden erfasst“, fordert Hoffmann. „Dass der Korridor im Gesetzentwurf nach oben stärker erweitert wird als nach unten, ist die falsche Richtung und das falsche Signal – gerade auch dann, wenn man es als Ziel des Elterngeldes ansieht, Eltern in der Rushhour des Lebens zu entlasten, ihnen mehr gemeinsame Zeit in der Familie zu ermöglichen und vor allem auch Väter dazu zu motivieren, ihre Erwerbsarbeit zugunsten der Familie stärker zu reduzieren. Dass der Partnerschaftsbonus Anreize für eine Erwerbsarbeitsreduzierung der Männer setzt, hält der Familienbund für den positivsten Aspekt des Partnerschaftsbonus. Denn eine Familienpolitik, die sich nur darum kümmert, die Erwerbstätigkeit der Frauen zu steigern, ohne eine entsprechende Arbeitsreduzierung der Männer in den Blick zu nehmen, dient nicht den Familien, sondern in erster Linie den Interessen des Arbeitsmarktes.“
Hoffmann fordert außerdem, das Mindestelterngeld um 50 Prozent auf 450 Euro pro Monat zu erhöhen, beim Elterngeld Plus auf 225 Euro. Er begründet seine Forderung mit dem Anstieg der Kosten für das sächliche Existenzminimum der Kinder. Das Mindestelterngeld wurde seit der Einführung des Elterngeldes 2007 nicht erhöht. Damals hat es noch das sächliche Existenzminimum von Kindern abgedeckt. Für das Jahr 2021 hat der im September 2020 beschlossene 13. Existenzminimumsbericht der Bundesregierung ein sächliches Existenzminimum in Höhe von 5.412 Euro pro Jahr errechnet. Dem entspricht ein monatliches sächliches Kinderexistenzminimum in Höhe von 451 Euro. „Die Anhebung des Mindestelterngeldes ist auch deswegen überfällig, weil der Betrag in Höhe von 300 Euro bereits seit 1986 konstant ist. Bereits die Vorgängerregelung des Elterngeldes – das Erziehungsgeld – sah eine Zahlung in dieser Höhe vor, von damals 600 DM.“
„Der Partnerschaftsbonus ist nicht familienformneutral angelegt.“
Hoffmann machte auch grundsätzlich Einwände geltend: „Der Partnerschaftsbonus ist nicht familienformneutral angelegt: Wenn man alle Familien und Familienformen gleichermaßen in den Blick nehmen möchte, ist es widersprüchlich, durch eine Sonderregelung wie den Partnerschaftsbonus eine bestimmte Gruppe von Familien besonders zu unterstützen, hier doppelt und vollzeitnah erwerbstätige Paare.“
So passe der Grundgedanke des Partnerschaftsbonus nicht bei Alleinerziehenden. „Dass
Alleinerziehende die Partnerschaftsbonusmonate in Anspruch nehmen können, ist aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Familienformen zwingend und richtig“, sagte Hoffmann. „Allerdings erscheint es beim Vergleich unterschiedlicher Alleinerziehendenkonstellationen wenig einsichtig, warum Alleinerziehende, die in einem bestimmten zeitlichen Korridor arbeiten, besser gefördert werden sollten, als Alleinerziehende mit einem Wochenstundenumfang, der diesen Korridor über- oder unterschreitet. Der dem Partnerschaftsbonus zugrundeliegende Gedanke einer Partnerschaft, in der ein Partner die Erwerbsarbeit reduziert, während der andere diese ausweitet, ist bei Alleinerziehenden naturgemäß nicht anwendbar.“
„Für jeden vollen Monat, um den die Geburt vor dem errechneten Geburtstermin
liegt, sollte ein zusätzlicher Elterngeldmonat gewährt werden.“
Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Neuregelung für Eltern vor, deren Kind sechs Wochen oder früher vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde. Sie sollen einen weiteren Basiselterngeldmonat beziehungsweise zwei weitere Elterngeld-Plus-Monate in Anspruch nehmen können. „Das ist eine kleine Verbesserung gegenüber der jetzigen Regelung“, sagte Hoffmann. „Kinder, die sich zum Zeitpunkt ihrer Geburt in einem früheren Entwicklungsstadium befinden, müssen auch länger von den Eltern betreut werden können. Dass der Entwurf dieses Problem in den Blick nimmt, ist zu begrüßen. Der Reformvorschlag ist jedoch halbherzig und kleinlich. Fraglich ist, warum ein zu früh geborenes Kind mindestens sechs Wochen früher geboren sein muss, um einen Monat länger Elterngeld zu beziehen. Der Entwurf argumentiert, dass erst bei einer Geburt mindestens sechs Wochen vor dem errechneten Termin eine Verzögerung der Kindesentwicklung unterstellt werden könne, die den zusätzlichen Bezugsmonat rechtfertige. Wissenschaftlich belegt wird diese Annahme allerdings nicht. Sie erscheint auch nicht ohne Weiteres plausibel.“
Der Familienbund hält es für einleuchtender, einfacher und für die Familien verständlicher,
hier mit einheitlichen Fristen zu arbeiten und die Regelung großzügiger zu gestalten. „Für jeden vollen Monat, um den die Geburt vor dem errechneten Geburtstermin liegt, sollte ein zusätzlicher Elterngeldmonat gewährt werden“, sagte Hoffmann. „Bei sehr früh geborenen Kindern sind die weiteren Elterngeldmonate durch den zusätzlichen Aufwand und die zusätzlichen Sorgen der Eltern mehr als gerechtfertigt.“