Konflikte mit den Kindern - wer kennt das nicht. Ein falsches Wort oder eine andere Ansicht und schon gibt es Streit. Dies ist jedoch nichts Verwerfliches. „Riskieren Sie viele Konflikte, denn sie dienen auch Ihrer Entwicklung“, forderte Karl-Heinz Bittl bei der familienpolitischen Jahrestagung des Familienbundes. Der Diplom-Sozialpädagoge und Konfliktberater beleuchtete in seinem Vortrag die Auslöser und Gründe für Streitigkeiten und gewann dem Konflikt auch positive Seiten ab.
Eine Streitkultur entwickeln - dies solle idealerweise in den Familien passieren. Das wünschte sich die Diözesanvorsitzende des Familienbundes, Christiane Kömm, als sie rund 80 interessierte Eltern im Bistumshaus St. Otto begrüßte. „Streitexperte“ Bittl, selbst Vater und Großvater, verwies auf ein gutes „Konflikttraining“ durch die eigene Familie. Er ist seit 40 Jahren auch beruflich im Bereich Friedenserziehung, Konfliktbearbeitung und Werteerziehung tätig. In Nürnberg arbeitet er etwa in der Gewaltprävention in Grundschulen und Kindertagesstätten. Er berät aber auch Organisationen und Unternehmen.
Konflikte seien etwas Natürliches und könnten einen positiven Effekt haben, sagte der Referent, denn Streiten verbinde. Auseinandersetzungen machten auf Bedürfnisse aufmerksam, brächten nicht geäußerte Erwartungen zutage und könnten helfen, Missverständnisse zu klären. Bittl sieht den Konflikt als ein Wahrnehmungsproblem. „Oft sind wir wie Pippi Langstumpf, die sich die Welt so denkt, wie sie ihr gefällt.“ Eindrücke seien jedoch subjektiv. Das Gegenüber sieht die gleiche Situation eventuell ganz anders. So entstehen Konflikte, deren Lösung mit Gewalt angestrebt wird. Bittls Anliegen ist es, den Blick für unterschiedliche Sichtweisen, auch von Eltern und Kindern zu schärfen. Dies bedeute einen ständigen Prozess der Veränderung.
Die Auslöser für Streitigkeiten machte der Referent auf verschiedenen Ebenen fest. Ganz wichtig sei es, dass Eltern die Grundbedürfnisse ihrer Kinder erkennen und ihnen gerecht werden. Dazu gehörten der Wunsch nach Liebe und Anerkennung, nach Sicherheit, aber auch nach Autonomie, Orientierung, Transzendenz und Kreativität. Werden Bedürfnisse nicht gesehen, entstehe Angst, etwa vor Ablehnung, vor dem Verlassen werden, vor Bewertung, vor dem Unbekannten. Dies könne in Rückzug oder aber in Aggression umschlagen. Für den Pädagogen ist wichtig, dass Wut und Ärger, dass Gefühle gezeigt werden dürfen, von Kindern wie von Eltern. Denn erst dann könnten dahinter liegende Probleme besprochen werden.
Auch Familienregeln und –strukturen bergen Konfliktpotential. Ein Familiensystem brauche Regeln – „bei kleineren Kindern höchstens zehn, bei Größeren einige mehr“ - und das Dringen darauf, dass sie eingehalten werden, sagte Bittl. Dazu gehörten etwa Pünktlichkeit oder der Umgang mit Medien. Auch die Beachtung der Strukturen – wer bestimmt über die Zeiten des Alltags oder darüber, was in der Wohnung verändert werden darf - sei wichtig. „Eltern haben einen Erziehungsauftrag – und sind nicht die besten Freunde ihrer Kinder!“ Verantwortungen müssten geklärt, ein Rahmen gesetzt werden. Wie ist der Umgang mit Ritualen, etwa mit Festen, mit dem Ins-Bett-gehen, mit der Äußerung von Dank und Wertschätzung? Welche Werte sind wichtig? Wie ist man Mama und Papa? Jedes Elternteil bringe hier oft eine andere, von seiner Herkunftsfamilie geprägte Vorstellung mit ein, woraus sich Neues entwickeln müsse.
Konflikte vermeiden, weil man sie scheut, sei keine vernünftige Verhaltensweise, sagte der Referent. Sofort wirkende Rezepte gebe es ebenso wenig wie ein generell konfliktloses Leben. Damit Streiten verbindet, gelte es die eigene Wahrnehmung zu weiten und den Blickwinkel des anderen einzunehmen. Sein Tipp: Dran bleiben und nicht aufgeben.