Für mehr Kinderrechte ohne Verfassungsänderung

Familienbund der Katholiken (c) FDK
Familienbund der Katholiken
Datum:
Di. 12. Jan. 2021
Von:
Christiane Kömm/Susanne Neubauer

Bamberg. Die Diskussion um die Verfassungsänderung reißt nicht ab. Wie das ARD-Hauptstadtstudio am Montag meldete, sollen die Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden – eine entsprechende Vereinbarung ist im Koalitionsvertrag enthalten. Der Familienbund der Katholiken ist einer der wenigen Verbände, der klar Stellung gegen eine Verfassungsänderung bezieht.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist in Deutschland seit 1992, als der Vertrag von Deutschland ratifiziert wurde und seit 2010 die zunächst erklärten Vorbehalte zurückgenommen wurden, voll gültig und hat den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Durch das Grundgesetz werden alle Staatsorgane in den Dienst der Durchsetzung des Völkerrechts, also auch der UN-Kinderrechtskonvention gestellt. Der Familienbund der Katholiken im Erzbistum Bamberg fordert daher von den Verantwortlichen, die geltenden Rechte umzusetzen und Familien besser zu fördern, anstatt Symbolpolitik zu betreiben. Die Anerkennung der Kinderrechte ist bereits erfolgt, es mangelt aber vor allem an der Umsetzung. Dies soll mit diesem Vorstoß kaschiert werden.

 

Die Menschenrechte im deutschen Grundgesetz sind eine der herausragendsten Errungenschaften unserer Demokratie. Sie stellen die Gemeinsamkeiten aller Menschen heraus und garantieren jedem Individuum die gleichen Rechte – auch unseren Kindern. Eine Verfassungsänderung durch eine Umformulierung des Artikels 6 würde bedeuten, dass dieser Grundgedanke aufgehoben wird – die Folgen sind derzeit nicht abzusehen. Werden beispielsweise einzelne Aspekte der Grundrechte wie Meinungsfreiheit nicht eindeutig auch für Kinder festgeschrieben, sind diese dann noch gewährleistet? Durch diese ‚Sondergrundrechte‘ würde das Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes ausgehebelt werden. Auch andere Gruppen von Schutzbedürftigen wie z. B. alte oder behinderte Menschen könnten dann die Aufnahme eigener Grundrechte fordern, was dazu führen würde, dass es keine Garantie der Gleichheit und eine Betonung der Gemeinsamkeiten, sondern eine Zersplitterung in einzelne Interessensgruppen gäbe.

 

Zudem ist eine Verfassungsänderung überflüssig, da der besondere Schutz der Familie bereits in Artikel 6 des Grundgesetzes verankert ist. Absatz 2 lautet: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Dieser Artikel definiert den besonderen Schutz, den Kinder in unserer Gesellschaft genießen müssen bereits, allerdings ‚seitenverkehrt‘ aus Sicht der Eltern. Diözesanvorsitzende Christiane Kömm zeigt sich schockiert darüber, wie häufig dieser Umstand in der aktuellen politischen Debatte ignoriert wird. Eine Verfassungsänderung, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, bedeutet, dass der Staat weitreichende Befugnisse bekäme, die die der Eltern weitgehend einschränken könnten.

 

Aus Sicht der Eltern und auch unserer Gesellschaft ist dies nicht wünschenswert, da es das Dreiecksgefüge zwischen Eltern, Kinder und Staat aus dem Gleichgewicht bringen würde. Daran ändert auch eine Änderung des Entwurfs nichts. „Wenn der Staat Kinder und Familien stärken möchte (was wünschenswert ist), sollte dieser die bereits vorhandenen Mittel ausbauen – hierfür ist keine Verfassungsänderung nötig.“, meint Kömm. Das Recht aber auch die Pflicht der Eltern sind die Erziehung ihrer Kinder, die sie jedoch individuell gestalten können. Das Entziehen des elterlichen Erziehungsrechtes ist aber auch für den Staat als solchen nicht wünschenswert. Eine Entziehung der Kinder oder eine Einschränkung des Umgangsrechtes ist in manchen Fällen zum Schutz des Kindes nötig, es ist jedoch nicht der Normalfall. Kömm stellt klar: „Grundsätzlich gilt: Ein solcher Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern darf keine Normalität werden, sondern muss die Ultima Ratio sein.“

 

Eine spezielle Einbindung der Kinderrechte in das Grundgesetz ist somit überflüssig und kann im Gegenteil kontraproduktiv sein, da die verfassungsrechtlichen Folgen nicht zu überblicken sind.